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Erinnerungen an die Diplomarbeit – angefertigt im Institut für Geophysik der Universität Göttingen

Vor 40 Jahren begann der Autor Konrad Rennert im Weserbergland mit der Datenerfassung für seine Diplomarbeit zum Thema „Untersuchung des Schwerefeldes an der Elfas-Achse“.
Jetzt geht er in Rente und beleuchtet das Thema von damals im Rückblick, um Schüler für die MINT-Fächer zu begeistern. Am Ende dieses Beitrages steht der Link zum Download der Arbeit.

Gravitation und Gravimetrie

Im 17. Jahrhundert gelang Isaac Newton die mathematische Beschreibung der Schwerkraft, so wie sie noch heutzutage in physikalischen Experimenten demonstriert wird.

Als Einstieg in das Thema bietet sich die Wikipedia an: https://de.wikipedia.org/wiki/Gravitation

Das Wort Gravitation leitet sich aus dem lateinischen Wort „gravitas“ für „Schwere“ ab. Die Massenanziehung wird auch Gravitationskraft genannt und ist eine der vier Grundkräfte der Physik. Sie äußert sich in der gegenseitigen Anziehung von Massen. Sie nimmt mit zunehmender Entfernung der Massen ab, besitzt aber unbegrenzte Reichweite. Im Gegensatz zu  elektrischen oder magnetischen Kräften lässt sie sich nicht abschirmen.

Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle Körper nach „unten“, d. h. in Richtung Erdmittelpunkt fallen, sofern sie nicht durch andere Kräfte daran gehindert werden. Im Sonnensystem bestimmt die Gravitation die Bahnen der Planeten, Monde, Satelliten und Kometen und im Kosmos die Bildung von Sternen und Galaxien sowie dessen Entwicklung im Großen.

Gravitation wird oft mit Schwerkraft gleichgesetzt. Das Gewicht eines Körpers wird allerdings vom lokal herrschenden Schwerefeld bestimmt, welches nicht nur die Gravitationskraft umfasst, sondern auch auf den Körper wirkende Trägheitswirkungen (insbesondere durch die Rotation des Bezugssystems).

Im Rahmen der klassischen Physik wird die Gravitation mit dem newtonschen Gravitationsgesetz beschrieben, d. h. als eine instantan, also unmittelbar und ohne Zeitverlust durch den leeren Raum wirkende Fernwirkungskraft. Ein grundlegend anderes Verständnis der Gravitation ergibt sich aus der allgemeinen Relativitätstheorie nach Albert Einstein. Hierbei wirkt die Gravitation nicht in Form einer Kraft auf die Körper, sondern durch eine Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit, wobei die Bahnen der Körper, auf die keine weiteren Kräfte wirken, einer kürzesten Linie (im gekrümmten Raum), d. h. einer Geodäte, entsprechen.

Die Methoden, mit denen Schwerefelder vermessen werden, bezeichnet man als Gravimetrie. Zum Einstieg bietet sich der entsprechende Wikidedia-Eintrag an, aus dem unten zitiert wird: https://de.wikipedia.org/wiki/Gravimetrie

Der Begriff Gravimetrie (von lateinisch gravitas, „Schwere“ und -metrie von  griechisch τὸ μέτρον – das Maß) bezeichnet die Methoden, mit denen das lokale und regionale Schwerefeld der Erde vermessen wird. Die Bestimmung dieses fundamentalen Potentialfeldes ist für Geodäsie, Geophysik und Technik gleichermaßen von Bedeutung.

In der Geodäsie sind lokale Schwerewerte für die Höhenbestimmung (genaue Reduktion des Nivellements) und die Geoidbestimmung von Bedeutung, in der  Geophysik und der Geodynamik für die Erforschung des Erdinnern und seiner Bewegungen. Ferner benötigen präzise Waagen und andere technische Messmethoden gravimetrische Daten zu ihrer Eichung.

Anhand der unterschiedlichen Stärke der Schwerebeschleunigung an verschiedenen Orten lassen sich Aussagen über die Verteilung der Massen in der Erdkruste und über die jeweilige Gesteinsdichte treffen. Die Interpretation ist allerdings nicht immer eindeutig (Umkehrproblem der Potentialtheorie). Auch in der Erforschung anderer Himmelskörper (PlanetologieErdmond) gewinnt die Schweremessung an Bedeutung.

Soviel an zusammenfassenden und einleitenden Zitaten aus der Wikipedia.

Die Schwerkraft ist auf unserem Planeten nahezu unverändert, solange es die Erde gibt. Langfristige lokale Änderungen gibt es durch geologische Prozesse bei der Gebirgsbildung, kurzfristige minimale Änderungen passieren durch das Wettergeschehen infolge des Wechsels von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Minimale Änderungen gibt es auch, wenn die Erde an Masse gewonnen oder verloren hat. Die Erdmasse erhöht sich, wenn Meteoriten auf die Erde stürzen oder Teilchen eingefangen werden. Verminderungen gibt es, wenn Raketen die Erde verlassen oder Teile der Atmosphäre für immer in den Weltraum entweichen oder wenn Masse in Energie verwandelt wird, wie bei nuklearen Prozessen in Kernwaffen oder Reaktoren (E=mc²). Solche Ereignisse sind selten und haben keine messbaren Auswirkungen. Selbst ein riesiger Meteorit, dessen Einschlag das Aussterben der Saurier bewirkte, hat allenfalls Auswirkungen an der 8. oder 9. Stelle der gesamt gemessenen Schwere an der Erdoberfläche.

Das Schwerefeld der Erde ist aber nicht völlig symmetrisch. Die Ursache ist ungleich verteilte Masse mit unterschiedlicher Dichte. Ein Kilo Erdöl oder Wasser nimmt ein größeres Volumen ein als ein Kilo Salz oder Sand. Bei Eisenerzen oder Granitgestein nimmt ein Kilo noch weniger Volumen ein als Buntsandstein oder Kalkstein. Diese unterschiedlichen Dichten in der Erdkruste haben Auswirkungen und führen zu sogenannten Anomalien im Schwerefeld.

Bei deren Messung ist vieles zu beachten. Die Erde ist kein starrer Körper. Nicht nur am Meer gibt es die als Wasserstandsveränderungen wahrnehmbaren Gezeiten. An Land wirken die gleichen Kräfte. Wir sehen nur keine Auswirkungen in Form von Ebbe und Flut.

Moderne Gravimeter mit einer kaum vorstellbaren relativen Messgenauigkeit erlauben sogar Aussagen über Veränderungen von Magmaströmen im Untergrund, wie es der Physikprofessor René Matzdorf aus Kassel in seinem YouTube-Video beschreibt:

In Matzdorfs Video geht es um die Messgenauigkeit ab der 11. Stelle der absoluten Schwere.

Solche genauen Messungen gab es in der Gravimetrie vor 40 Jahren noch nicht.

Konrad Rennert verwendete 1980 ein Instrument, welches damals technisch schon nicht mehr auf dem neuesten Stand war. Bei den Diplom- und Masterarbeiten kommt es auch nicht so sehr auf die Technik an, sondern darauf, dass Studenten den Nachweis erbringen, eine wissenschaftliche Arbeit unter Betreuung eines Professors verfassen zu können. Die Genauigkeit und das Alter der Messgeräte sind nicht so entscheidend, wie die Fähigkeit des Studenten, seine Arbeit zu planen und systematisch umzusetzen. Der Professor hat die Aufgabe die Arbeit zu hinterfragen und auf Schwachpunkte und Denkfehler hinzuweisen.

Nach dem Hauptprofil mussten zur Kontrolle noch zwei weitere Profile gemessen werden: Der Autor mit dem Worden-Gravimeter bei Eschershausen

Das Worden Gravimeter war das wichtigste Instrument bei Rennerts Arbeit. Ein Gravimeter, welches kurz vor dem von Rennert verwendeten Instrument gebaut wurde, kann man heutzutage im Museum besichtigen https://americanhistory.si.edu/collections/search/object/nmah_865075 Auf dem Bild sieht man die Seriennummer 483. In der Diplomarbeit wurde das Gerät mit der Seriennummer 492 verwendet.

Damit Daten für Modellrechnungen des geologischen Aufbaus mit ausreichender Genauigkeit bereitgestellt werden konnten, mussten Differenzen im Schwerefeld der Erde gemessen werden, deren Anteil etwa 0,1 bis 1 Millionstel der absoluten Schwere beträgt. Dazu reichte die dem Diplomanden vor 40 Jahren zur Verfügung gestellte Ausrüstung aus. Er wählte als Thema seiner Arbeit: „Untersuchung des Schwerefeldes an der Elfas-Achse (Weserbergland)“

Sein Ziel war, durch Auswertung hochpräziser Messungen Aussagen zur Verteilung von Gesteinsschichten mit unterschiedlicher Dichte zu machen. Auslöser der gemessenen Anomalie ist die saxonische Tektonik, die oftmals mit Salzdiapirismus verknüpft ist.

Dem Nicht-Geo-Wissenschaftler erscheint die Arbeit wahrscheinlich sehr exotisch. Die Auswirkungen der beobachteten geologischen Phänomene hingegen haben schon viele Menschen gesehen. Die Gesteine im Solling stammen aus der gleichen erdgeschichtlichen Periode wie die auf Helgoland. Die kleine Insel wurde wegen der Salzwanderung unter dem Buntsandstein aus der Nordsee gehoben. Die Salzablagerungen eines alten Randmeeres, des sogenannten Zechsteinmeeres wanderten im Laufe von 250 Millionen Jahren in Richtung des heutigen Felsens und hoben den darüber liegenden Buntsandstein über Millionen Jahre hinweg empor.

Solche Salzstöcke mit den Sedimenten des Zechsteinmeeres gibt es häufig im Untergrund, z.B. bei Gorleben und an der Grenze zwischen Hessen und Thüringen und im geringen Umfang auch im Weserbergland.

Diese interessanten Themen an der Grenze zwischen Geologie und Physik beschäftigten K. Rennert am Ende seiner Studienzeit in Göttingen. Bei der Diplomarbeit hatte er das Glück, dass er von Prof. Ulrich Schmucker als einem deutschen Original der Wissenschaft betreut wurde. Ein Zitat aus dem Nachruf Schmuckers Kinder lautet: „…ein Original und für seine Kinder genauso inspirierend wie für seine Studenten und Kollegen. Er lehrte uns ein großes intellektuelles Selbstwertgefühl, verbunden mit einer zutiefst positiven Sicht auf die Welt.“ Ehemalige Studenten hätten den Nachruf nicht besser machen können. Die Ursache und der Ort des Todes von U. Schmucker erscheinen angesichts der von China ausgehenden Covid 19 Pandemie spektakulär: Am 27. Oktober 2008 verstarb er plötzlich in China an den Folgen einer Lungenentzündung, als er an einem Fachkongress in Peking teilnahm. Quelle: https://www.mtnet.info/memoriam/schmucker.html

Ulrich Schmucker begeisterte seine Studenten für die Geo-Wissenschaften. Einige sind heutzutage selbst Professoren und leiten Institute an verschiedenen Universitäten. Konrad Rennert verließ die Uni nach dem Diplom. 1982 bewarb er sich vergeblich bei Unternehmen, die Geowissenschaftler beschäftigen. 1983 bewarb er sich fachfremd im IT-Sektor. Weil er als Physiker während seiner Diplomarbeit zur Auswertung des umfangreichen Datenmaterials Computer einsetzte und selbst Auswertungsprogramme erstellen konnte, war seine Bewerbung bei Apple-Computer erfolgreich.

Zunächst verkaufte und installierte er Apple II, Apple /// und Macintosh-Computer, um dann jahrzehntelang freiberuflich als IT- und E-Learning-Trainer zu arbeiten. Auch dieser Beruf begeisterte ihn, weil er sich immer mit den neuesten digitalen Produkten auseinandersetzen musste und dabei auch einmal persönlich den Vorträgen von Steve Jobs und Bill Gates zuhören konnte.

Ab Juni 2020 bezieht er Rente und hat Muße, sich noch einmal mit dem interessanten Gegenstand seiner Diplomarbeit zu beschäftigen: Geschrieben mit einer in der DDR produzierten Schreibmaschine „Erika“ aus Sömmerda vom Versandhaus Quelle und mit selbst ergänzten Formelzeichen ergänzt, wirkt sie wie ein Relikt aus vergangener Zeit.

Die Tipp-Ex Flecken und Ränder von eingeklebten Zeichnungen und Skizzen auf den Originalblättern sind im pdf-Dokument zur gescannten Vorlage sichtbar. Auch diese Tatsache beweist die zunehmende Messgenauigkeit bei der Aufnahme von Details. Bei den gebundenen Fotokopien, die damals in fünffacher Ausfertigung abzugeben waren, blieben diese Feinheiten unsichtbar.

Mit einem Klick auf Diplomarbeit Konrad Rennert kann die 93 Seiten lange Arbeit heruntergeladen werden (Umfang: 32 MB). Schüler und Studenten die mit dem Autor über Geo-Wissenschaften sprechen möchten, können sich auf https://eduthek.com über die nächsten Videokonferenztermine informieren.