The substitution of the adult education center by global continuing education platforms | Le remplacement du centre d’éducation des adultes par des plates-formes globales de formation continue |
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Das Internet wird zum globalen Marktplatz für Weiterbildung nach Maß und entsprechend dem persönlichem Budget.
Im folgenden Storytelling wurden nur die Namen der Beteiligten geändert, jede Ähnlichkeit mit noch lebenden Personen ist nicht ganz zufällig.
Willy und Helene haben viele Jahrzehnte in pädagogischen Berufen gearbeitet. Willy ist Trainer und Ausbilder in der Informationstechnik. Helene ist Erzieherin und hat durch den Umgang mit Kindern ihre Neugier auf Menschen bewahrt. Jetzt erhalten beide Rente und nehmen noch Aufträge an, die ihnen interessant erscheinen.
Willy betreibt einen YouTube Kanal mit einigen hundert Erklärvideos. Viele dieser Erklärvideos sind für Berufstätige interessant, weil sie interessante Funktionen von verbreiteter Software erklären. Willy kennt Excel schon, seit er die Vorversionen 1985 auf dem Apple Macintosh den Messebesuchern in Hannover zeigte. Auch mit Datenbanken hat er schon seit Jahrzehnten als Seminarleiter Erfahrung. Als Online-Trainer unterrichtet er seine Kursteilnehmer seit 6 Jahren nur noch per Videokonferenz.
Dank seines YouTube Kanals muss Willy kein Geld für die Werbung ausgeben. Besucher werden informiert, dass Willy gegen Honorar zusätzliche Hilfen zum Inhalt der Videos anbietet. Bei kurzen Fragen antwortet er kostenlos in den Kommentaren der Videos. Es gibt viele Anfragen, die nicht mit einem Satz zu beantworten sind. Aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Spanien hat Willy schon einige Aufträge bekommen.
Bevor Willy Aufträge annimmt, spricht er mit den möglichen neuen Kunden. Wichtig ist, ob eine störungsfreie Videokonferenz möglich ist und ob die Kunden ihre Fragen und Wünsche an Fallbeispielen zeigen können.
Gelingt das, kann Willy die voraussichtliche Dauer und die zu erwartenden Kosten kalkulieren.
Bisher war das immer eine Win-win-Situation für beide Seiten. Den Anfragenden konnte ohne Verzug per Videokonferenz geholfen werden. Reisekosten fallen nicht an, neue Fragen und offene Punkte bei Videokonferenzen konnten einige Tage später geklärt werden. Willys Honorar bei den abgeschlossenen Projekten liegt zwischen 500 und 5000 Euro. Das ist für Firmen nicht viel, wenn ihre Mitarbeiter damit hohe Kompetenzen erwerben und Projekte dank externer Hilfe früher zum Erfolg geführt werden.
Was mit einem Erklärvideo bei YouTube begann, führte nach dem Gespräch per Video und einigen Videokonferenzen zum Erfolg. Entscheidend ist der persönliche Kontakt und das Brainstorming bei realen Projekten mit dem Ziel Lösungen zu finden und zu verbessern.
Willy arbeitet schon seit vielen Jahren per Home-Office im Internet. Viele Menschen aus seiner Umgebung sind erst seit der Covid-19 Pandemie unfreiwillig im Home-Office angekommen. Für viele Menschen war das ein Schock. Manche sehen aber auch die Chancen durch die Technologie für die Bildung und Weiterbildung.
Willys Frau Helene hat früher Französisch-Kurse in der Kreisstadt besucht. Dann starb der Lehrer plötzlich und es fand sich kein Ersatz, um mit französischer Konversation mit Fortgeschrittenen fortzufahren. In der weiter entfernten Kasseler Volkshochschule gibt es Kurse, aber die passen überhaupt nicht zu Helenes Terminkalender. Wenn sie, passen würden muss sie genau so lange mit dem Auto fahren, wie die Kurse dauern. Abends gibt es in Nordhessen keine passenden Bahn- und Busverbindungen.
Die Verbesserung ihrer Französisch Kenntnisse sind Helene sehr wichtig, weil sie viele Kontakte mit Freunden im Ausland hat. Mit vielen kann sie Englisch sprechen, dafür reicht ihr Englisch aus der Schulzeit. Leider können nur wenige Franzosen Konversation in Englisch führen und Deutsch können nur wenige Franzosen. Helenes jüngster Sohn lebt seit Jahren mit einer Französin zusammen. Es gibt eine Einladung, um deren Familie in Savoyen kennenzulernen. Das motiviert Helene, ihre französischen Sprachkenntnisse zu verbessern, um bei gegenseitigen Besuchen die üblichen Gespräche führen zu können.
Willy nutzt das Internet zur persönlichen Weiterbildung, seit es verfügbar ist. Für seinen Bedarf gab es in Nordhessen noch nie die passenden Kurse. Bei Udemy hat er vor Jahren einen Kurs gebucht, um sich schnell per Erklärvideo in eine neue Programmiersprache einzuarbeiten. Das war nicht teurer, als ein Buch und viel leichter zu verstehen, weil man im Bild sehen konnte, was der Dozent in Englisch erklärte. Persönliche Unterstützung braucht er nicht, weil er schon viele Programmiersprachen kennt und mit den Zusammenhängen vertraut ist.
Als Willy mal wieder mit Helene über eine Reise nach Frankreich sprach, erinnerte er sich an das Udemy-Angebot und fand auch einen passenden Kurs für Helene: Start auf dem A2-Niveau in Französisch für fortgeschrittene Anfänger, um das B1-Niveau für selbständige Sprachverwendung zu erreichen. Als Neukundin musste Helene nur 15 statt der üblichen 99 Euro bei Udemy zahlen.
Der erfahrene Kursleiter erklärt das gut in den Videos und seine Übungen haben gute Qualität, um sich mit dem Vokabular zu den Abschnitten auseinander zu setzen. Jedoch fehlt der direkte Kontakt mit französisch sprechenden Menschen. Das war der einzige Vorteil in den Volkshochschulkursen. Bei 8 bis 10 Mitschülern hatte man selbst schon mal für wenige Minuten pro Doppelstunde die Gelegenheit, zu sprechen und sich korrigieren zu lassen, wenn man Fehler machte.
Willy suchte nach Möglichkeiten, mit französischen Muttersprachlern in direkten Kontakt zu treten. Im chinesischen Hongkong, in Kiew in der Ukraine und in San Franzisko fand er Vermittler, bei denen man zwischen tausenden von Lehrerinnen und Lehrern wählen kann. Helene schaute sich die Vorstellungsvideos einiger Französisch-Lehrer an und fand Julia im afrikanischen Kamerun.
In der Probestunde stellte sie fest, dass es bei den Videokonferenzen zwar gelegentliche Bildstörungen gibt, aber die Sprachqualität ist meist sehr gut. Wenn man nur 8 Euro pro Stunde für das direkte Gespräch mit der Lehrerin zahlen muss, nimmt man die Qualitätsschwankungen der Internetverbindung hin. Entscheidend für die Wahl war, dass Julia sehr motiviert ist und neben Französisch als Hauptsprache auch Englisch und Deutsch spricht. Man legt sich auch nur für wenige Stunden fest. 6 Stunden Individualunterricht mit Julia kosten ca. 50 Euro. So wie es der von beiden Seiten einsehbare Terminkalender erlaubt, nimmt man die einzelnen Stunden, wie es gerade passt. Optimal sind bei Helene 2 bis 3 Stunden pro Woche. Wer mehr Stunden bucht, erhält Mengenrabatt.
Beim Gruppenunterricht an der VHS kann man keine Termine verschieben. Helene versäumte einzelne Termine, weil plötzlich ihre Enkel betreut werden mussten. Mit Julia kann sie alles passend einrichten und ein Videokonferenzraum ist immer frei, wenn ein Termin festgelegt wurde. Selbst wenn die Plattform in Kiew wegen der Probleme in der Ukraine ausfällt, kann man sich treffen. Julia und Helene haben sowohl Skype als auch Google-Meet und Zoom getestet und können bei der Konversation die Räume wechseln.
Helene hat jetzt die perfekte Lernumgebung und das zu Kosten, die sie früher für einen VHS-Kurs zu zahlen hatte: Jederzeit allein Französisch aus der Udemy-Konserve lernen und dann mit Julia aus Kamerun in den vereinbarten Videokonferenzen anwenden. Bisher klappt die Kombination sehr gut, weil sie bei technischen Fragen von Willy beraten wird.
Helenes Freundin ist mit einem französischen Weinbauern verheiratet. Falls sie sich mit ihr auf eine Weintour durch die Weinberge des Medoc vorbereiten möchte, erwirbt sie bei Udemy den Kurs „Expert en dégustation de vin en 50 minutes“ für 25 Euro. Falls Julia aus Kamerun kein Fachgespräch über die Weinverkostung führen kann, bucht Helene einige Videokonferenzen mit Cindy aus Burgund „Bonjour, je m’appelle Cindy, je suis française originaire de Bourgogne ,région de dégustation de fromages et de vins.“ Cindy ist auf der chinesischen Plattform italki zu finden und unterrichtet derzeit aus Südamerika. Ihre umfassende Sprachkompetenz kann man oben im Video erkennen.
Wenn Volkshochschulen beim nächsten Lockdown erneut schließen oder keine passenden Angebote haben, konfiguriert man sich die passende Weiterbildung für Freizeit und Beruf auf den globalen Plattformen. Was heute noch wie Science-Fiction wirkt, ist bald durch die virtuelle Realität möglich. Willy und Helene können als Rentner nicht mehr unbeschwert durch Afrika oder die Anden reisen. Demnächst können sie aber eine 3-D-Brille für die virtuelle Realität kaufen. Damit könnten sie mit ihren Lehrern vom heimischen Sofa aus durch Kamerun oder die Anden reisen. Es fehlen dann nur noch die passenden Speisen und Getränke für die Pausen. Möglicherweise liefert die Biotechnologie in ein paar Jahren 3-D-Drucker für die Zubereitung exotischer Nahrung um auch das gemeinsame Geschmackserlebnis zu ergänzen.